(5. April) Oberflächlich betrachtet erscheint die Situation für Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender in Österreich wunderbar. Niemand darf uns diskriminieren; seit 2009 werden gleichgeschlechtliche Partnerschaften sogar staatlich anerkannt. Im öffentlichen Raum können wir uns nahezu unbehelligt bewegen – dumme Sprüche und Übergriffe sind eher die Ausnahme. Ein Kommentar von Harald Bauer, Kandidat von Europa Anders.
Gut, ich weiß nicht, was die Leute hinter meinem Rücken reden und mitunter basht uns die katholische Kirche, aber die nimmt hierzulande doch sowieso keiner mehr wirklich ernst – und wenn der eine oder andere politische Vorgartenzwerg aus der FPÖ uns lieber auf dem Gelände eines ehemaligen KZ-Außenlagers sähe, dann vertritt er sicher nicht die Mehrheit der Gesamtbevölkerung.
Vielleicht bin ich ja wirklich zu empfindlich, wenn ich trotz all der öffentlich zur Schau gestellten Großherzigkeit und Toleranz noch immer ein ungutes Gefühl habe. Seit Mitte der 70er Jahre in denen Homosexualität noch strafrechtlich relevant war, hat sich doch einiges getan in Staat und Gesellschaft und in den meisten Köpfen – ganz zu schweigen von jenen dunklen Zeiten in denen unseresgleichen noch einen rosa Winkel auf der Jacke tragen musste.
Aber was soll´s, die bösen Zeiten sind vorüber. Wenn ich mich auch frage, warum ein Coming Out auch heute, wo uns angeblich alle lieb haben, für manche immer noch ein Problem darstellt und warum manche meiner Heterobekannten auch noch heute unsicher werden, wenn das Gespräch auf mein Schwulsein kommt, ist die Welt in Österreich doch im Großen und Ganzen in Ordnung.
Anderenorts sieht das weit weniger günstig aus. In Russland zum Beispiel müsste ich damit rechnen, wenn ich meinen Partner öffentlich küsse, von orthodoxen Christen oder anderen Vertretern der bürgerlichen „Moral“ öffentlich verprügelt zu werden und obendrein wegen sogenannter homosexueller Propaganda eine geraume Zeit im Gefängnis zu verbringen. Im Iran oder Saudi-Arabien dagegen würde man sich möglicherweise gar nicht erst die Mühe machen mich zu verprügeln, sondern stattdessen gleich aufhängen.
Und genau an dem Punkt liegt der Hund begraben, weswegen ich trotz aller Toleranz ein ungutes Gefühl habe. Das Eis auf dem wir uns bewegen trägt gerade einmal in Österreich und Mitteleuropa – und es kann jederzeit brechen. Die Entwicklung muss unumkehrbar gemacht werden – gleiche Rechte für Schwule, Lesben und Transgender. Das Eis muss dicker werden in Österreich und es muss tragfähig werden, in Europa und der Welt. Nur wenn wir hier in Österreich kompromisslos für unsere Rechte eintreten, stellen wir langfristig sicher, das niemand wegen seiner sexuellen Orientierung benachteiligt wird. Der Kampf für die Rechte der Schwulen, Lesben und Transgender ist ein Kampf für die Menschenrechte per se!
Das Lebenspartnerschaftsgesetz ist zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung aber, es beinhaltet nach wie vor eine Reihe von Benachteiligungen gegenüber der heterosexuellen Ehe. http://de.wikipedia.org/wiki/Eingetragene_Partnerschaft-Gesetz#cite_note-Lambda2009-3
Erst wenn die komplette Eheöffnung für Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender vollzogen ist, kann man von einem echten Ende der Diskriminierung sprechen. Ich fordere deshalb nicht nur „großzügige“ Toleranz sondern wirklichen Respekt vor den Menschenrechten der Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender, denn:
„Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ Rosa von Praunheim
Zwar gibt es im Moment auch ermutigende Schritte, wie den Vorstoß von Sophie Karmasin, die gezeigt hat, dass es selbst in der konservativen ÖVP eine Bewegung nach vorne geben kann. Karmasin kann es sich vorstellen, dass gleichchgeschlechtliche Partnerschaften auch auf dem Standesamt geschlossen werden, die Partner einen gemeinsamen Familiennamen tragen – und sie fordert zumindest Erleichterungen für homosexuelle Pflegeeltern. Das sind alles kleine Trippelschritte, nichts was zum euphorischen Feiern Anlass gäbe – aber zumindest ein zögerlicher Schritt in Richtung Gleichbrechtigung.
Auf der andern Seite erleben wir aber geradein den letzten Monaten, dass sich eine rechte Phalanx mit aller Macht gegen die LGBT-Rechte formiert und das Rad der Geschichte zurückdrehen will. In Frankreich kam es zu wütenden Protesten, in Deutschland hetzt die AfD.
Auch in Österreich fragt die FPÖ: „Wohin soll die Familienpolitik der angeblichen Familienpartei ÖVP unter einer Familienministerin Karmasin gehen, wenn sie solche Forderungen stellt?“ – und der TS-Abgeordnete Dr. Marcus Franz sieht die Gefahr, dass Homosexualität als „genetische Anomalie“ die Rentenversicherungsbeiträge in die Höhe schießen lässt. Neben diesen offen homophob agierenden Rechtspopulisten, gibt es aber auch im europäschen konservativen Umfeld – etwa in der CSU – verstärkt Bemühungen, Homophobie wieder salonfähig zu machen. http://www.merkur-online.de/lokales/wolfratshausen/geretsried/hetze-oder-eine-meinung-3405808.html
Die Angriffswelle der Ewiggestrigen rollt – und wer für den Humanismus und die Gleichberechtigung aller Menschen eintritt, der hat gar keine andere Wahl, als sich diesem Aufbäumen der europäischen Rechten entgegen zu stellen.