(7. Mai) Seit 13. April lebt der Europaabgeordnete Martin Ehrenhauser auf der Straße. Mittlerweile im „Campingbus“ macht er 24 Stunden Wahlkampf für das progressive Wahlbündnis „Europa anders“, gebildet aus KPÖ, Piraten, dem Wandel und Unabhängigen. Anfangs von JournalistInnen belächelt, die das gesamte Bündnis als „kafkaesk“ bezeichneten (so der ORF) und später Ehrenhauser Auszug aus der ORF-Diskussion als „skurril“ abtaten, muss man dieses neue politische Phänomen mittlerweile ernst nehmen. Und das nicht nur, weil „Europa anders“ in den Wahlumfragen deutlich nach oben klettert. Ein Kommentar von Sebastian Reinfeldt, Politikwissenschaftler und unabhängiger Kandidat von EUROPA ANDERS.
Das konsequente Leben eines Politikers auf der Straße kontrastiert sinnig mit den Wahlkampf-Inszenierungen der anderen Parteien. So musste man etwa für die NEOS-Politshow Eintritt zahlen, um Liberale wie den NLP geschwängerten Martin Strolz live erleben zu dürfen. Ehrenhauser hingegen lebt auf öffentlichen Plätzen, dort ist er jederzeit ansprechbar, dort ist er nicht nur dem kühlen Wetter, sondern eben auch den Menschen ausgeliefert. „Man muss den Menschen schon lieben wenn man auf der Straße lebt“, so beschreibt er selbst auf Facebook seine Erfahrungen damit.
Diese eigenwillige und konsequente Form des Wahlkampfs wird nun selber zur politischen Aussage, sie ist mehr als das persönliche Coming-out eines bis dato eher unscheinbaren Parlamentariers in Brüssel und Straßburg. Das Protestcamp ist nicht nur ein Umschlagplatz politischer Meinungen und Ansichten, sondern es wird auch Materielles weiter gegeben: Lebensmittel werden vorbei gebracht und verteilt, Kleidung und manchmal ein warmes Bad wird gespendet.
Wut in Zuversicht will „Europa anders“ verwandeln. Und nicht mit der EU Schluss machen, aber mit der Austeritätspolitik, die die EU seit Jahren beherrscht und die Gesellschaften nach einem ideologisch geprägten Muster umgestaltet, mit der Folge dramatischer sozialer Verwerfungen. Sie tut dies oftmals unter sozialdemokratischer Verantwortung bzw. unter sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung. Dazu schien es bisher in Österreichs politischer Landschaft keine politische Alternative zu geben, achselzuckend nahm man das alles hin und nickte das unvermeidbar Scheinende ab. Denn das ist der wichtigste Grund, warum „Europa anders“ es verdient hat, dass man sich intensiver damit auseinander setzt: Form und politischer Inhalt passen mittlerweile zusammen, deshalb sind Alternativen zur herrschenden Politik nun auch in Österreich möglich. An dieser Wahlallianz rund um Martin Ehrenhauser wird man auch nach dem 25. Mai nicht vorbei kommen können. Kluge SPÖlerInnen und Grüne haben daher schon längst ihre Fühler ausgestreckt.
Ps.: Sebastian Reinfeldt hat den Text an den Standard als Vorschlag für einen „Kommentar der Anderen“ gesendet. Die Redaktion hat es abgelehnt, ihn abzudrucken, mit dem Argument, dass Reinfeldt nicht „neutral“ sei, da er sich als Politikwissenschaftler und Europa anders Aktivist bezeichnet hatte. Die Frage lautet also: Was ist das für eine Logik in einer Demokratie, nach der demokratisches Engagement einen Menschen negativ markiert, so dass er sich nicht mehr öffentlich äußern darf?