Nein zum TTIP-Abkommen

(3. April) Die Absenkung von Standards ist nicht bloß eine mögliche Schwachstelle des TTIP, sondern dessen Kernanliegen. Ein Kommentar von Manuel Preusser

Der zivilgesellschaftliche Widerstand gegen das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) trägt erste Früchte. EU-Handelskommissar Karel de Gucht sah sich dazu gezwungen, die Verhandlungen über den besonders umstrittenen Punkt der Konzernklagen vorübergehend auszusetzen und die Öffentlichkeit zu dem Thema zu konsultieren. Die EU-Kommission wird es allerdings sehr schwer haben, der Bevölkerung die positiven Auswirkungen der angedachten Schiedsgerichte zu erklären. Es gibt für den überwiegenden Teil der Bevölkerung ja auch keine, wenn Unternehmen Staaten vor demokratisch nicht legitimierten Gerichten auf entgangene Gewinne klagen und damit die, von den BürgerInnen zu Recht geschätzten, Standards in den Bereichen des Umwelt-, ArbeitnehmerInnen- und KonsumentInnenschutzes in der EU bedrohen.

Auch in Österreich scheint die Debatte über das TTIP langsam anzukommen, die heimischen Parteien reagierten und gaben letzte Woche Statements zum geplanten Abkommen ab. Sämtliche Parlamentsparteien äußerten zwar bestimmte Vorbehalte, schreckten aber davor zurück, das TTIP kategorisch abzulehnen. Besonders die geheimen Verhandlungen und die erwähnten Schiedsgerichtsverfahren wurden kritisiert. Alles andere wäre ja auch strategisch unklug. Wer sich für Verhandlungen hinter verschlossenen Türen ausspricht, ist gegen demokratische Kontrolle und damit indirekt für die damit einhergehende Korruption. Das kann und will sich natürlich keine Partei erlauben – schon gar nicht so kurz vor (EU-)Wahlen. Auch ein Bekenntnis zu den Konzernklagen wäre in der aktuellen Situation kontraproduktiv, da die öffentliche Meinung in diesem Punkt sehr ablehnend ist und die EU-Kommission das Thema durch de Guchts geschicktes Manöver ohnehin weitgehend aus dem EU-Wahlkampf heraushält.

Einzig die ÖVP stellte sich ganz klar und offen auf die Seite der Konzerne. Wirtschaftsminister Mitterlehner meinte etwa, dass Österreich trotz derartiger Klauseln in sämtlichen österreichischen Investitionsschutzabkommen noch nie vor einem internationalen Schiedsgericht verklagt wurde. Was er nicht sagt, ist, dass die bisherigen 62 Abkommen Österreichs ausschließlich mit Entwicklungs- und Schwellenländern bestehen. Es geht also vor allem darum, die Profitinteressen der österreichischen Unternehmen im Ausland abzusichern, nicht darum, soziale und ökologische Standards in Österreich vor ausländischen Konzernen zu schützen. Dies würde sich bei einem Freihandelsabkommen mit den USA natürlich ändern.

Doch auch jene Parteien, die sich gegen Geheimverhandlungen und Konzernklagen aussprechen, scheinen nicht zu verstehen, wobei es beim TTIP wirklich geht. Die NEOS forderten etwa, dass die jeweils höchsten Standards innerhalb des Abkommens gelten sollten. Bei dieser Forderung kann es sich nur um einen Versuch der gezielten Irreführung handeln – sofern wir den NEOS nicht Naivität und wirtschaftspolitische Ahnungslosigkeit unterstellen wollen. Da die Zollschranken zwischen der EU und den USA bereits sehr niedrig sind, ist das erklärte Hauptziel des TTIP der Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse. Es soll also darum gehen, die unterschiedlichen Standards zu harmonisieren. Warum sollten aber zum Beispiel US-amerikanische Lebensmittelkonzerne für das TTIP eintreten, wenn sich ihre Branche in der Folge an die höheren Hygiene- und Gentechnikstandards der EU anpassen müsste. Dies würde ihre Produktionskosten erhöhen und somit ihre Gewinnaussichten schmälern. Auf der anderen Seite wollen die europäischen Banken das TTIP nicht, um anschließend der in den USA gültigen stärkeren Finanzmarktregulierung zu unterliegen.

Konzerne auf beiden Seiten des Atlantiks können vom TTIP nur dann profitieren, wenn der Schutz von Umwelt, KonsumentInnen, ArbeitnehmerInnen etc. nach unten nivelliert wird. Genau dafür setzen sich ihre Lobbys, die privilegierten Zugang zu den geheimen Verhandlungen genießen, ja auch ein. Zudem würde der „freie Markt“ genau den nach niedrigeren Standards (und damit billiger) produzierenden Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen und die Konkurrenz auf der anderen Seite des Atlantiks stark unter Druck setzen – sie müsste sich an die billige Produktion anpassen oder zugrunde gehen. Die Absenkung von demokratischen, sozialen und ökologischen Standards ist also nicht bloß ein möglicher Schwachpunkt vom TTIP, sondern das Herzstück des Abkommens.