Ein anderes Europa wehrt sich gegen neo-faschistische Aufmärsche

Am Samstag marschierten Ultrarechte in Begleitung bekannter Neonazis mit massiver Polizeieskorte durch Wien, während antifaschistischen GegendemonstantInnen mit Gewalt und Verhaftungen begegnet wurde, wie AugenzeugenInnenberichte und Aufnahmen belegen.

Die „Identitären“, deren Kontakte zur Neonazi-Szene dokumentiert sind, verpacken rechtsextremistisches und nationalistisches Gedankengut in frisches Marketinggewand. Mit Parolen wie „Heimat, Freiheit, Tradition – Multikulti Endstation“ wurde auch am Samstag Stimmung gegen Menschen und Bevölkerungsgruppen gemacht, die in unserer Gesellschaft bereits vielfältig benachteiligt sind.

Es ist für den Erhalt einer offenen Gesellschaft essenziell, menschenverachtender Hetze und faschistoider Provokation deutlichen Widerstand entgegenzusetzen. „Wehret den Anfängen“ heißt mit allen Mitteln aufzustehen, bevor solche Bewegungen Fuß gefasst haben – dazu gehört neben politischer Bildung, der klaren Benennung solcher Gruppen sowie Aufklärung über ihre Gesinnung und ihre Vernetzungen auch die Taktik der Gegendemonstration.

In Österreich bleibt rechte Hetze zu oft konsequenzenlos. Die Signalwirkung, die von breiter, öffentlicher gesellschaftlicher Ablehnung von Bewegungen wie den „Identitären“ ausgeht, wiegt schwerer als die oft kritisierte erhöhte Aufmerksamkeit, die kleinen Gruppen durch den Gegenprotest zuteil wird: Eine unwidersprochene Demonstration wäre eine Demonstration von Salonfähigkeit.
In einer Gesellschaft mit antifaschistischem Grundkonsens schwächt es ultrarechte Initiativen, wenn Aufmerksamkeit auf sie gerichtet wird und eine öffentliche Debatte über ihre Positionen stattfindet. Aufmerksamkeit ist nur dann problematisch, wenn ein solcher Grundkonsens fehlt und teils verzerrende mediale Berichterstattung auf für rechte Ideologien aufnahmebereiten Nährboden trifft.

Zahlreiche Bilder und Berichte vom Samstag zeugen von Polizeigewalt und Einsatz von Pfefferspray, der jeder Verhältnismäßigkeit zu entbehren scheint und schließlich darin gipfelte, dass eine junge Frau eine Fehlgeburt erlitt (Update: Das stellte sich zuletzt als Falschmeldung heraus). Die Aussage einer Polizeisprecherin „Wenn man sich der Polizei in den Weg stellt, muss man mit Konsequenzen rechnen, auch wenn man schwanger ist“ ist in diesem Zusammenhang blanker Hohn.
Wer sich ultrarechten DemonstrantInnen unter anderem in Form friedlicher Sitzblockaden in den Weg setzt und dabei auf die Polizei trifft, muss mit gewaltfreiem und deeskalierendem Verhalten rechnen können – und zwar auch, falls sich unter hunderten friedlichen DemonstrantInnen einzelne befinden, denen Sachbeschädigung vorzuwerfen ist oder von denen gar aggressive Handlungen ausgehen. Die Polizei ist mit ihrer Ausbildung, ihrer Überzahl und ihrer Schutzausrüstung auch und gerade dann zu sorgfältigem Vorgehen ohne Anheizen des Geschehens, ohne Beeinträchtigung friedlicher Demonstrierender und jedenfalls ohne die Verursachung schwerer Verletzungen verpflichtet.

Der Polizeieinsatz wirft viele Fragen auf, die untersucht werden müssen: Warum wurde spontan eine Ausweichroute angeboten? Warum wurden die Demonstrierenden über die Abschlusskundgebung hinaus zu einer Feier begleitet, obwohl ein Beamter laut Videoaufnahme bereits drohenden Kontrollverlust eingestand? Warum kamen Pfefferspray und eine Hundestaffel zum Einsatz? Warum mussten Minderjährige verhaftet werden? Wie kam es zur Verletzung der schwangeren Frau?

Diese Eskalation ist ein weiterer Eintrag in der traurigen Bilanz von Polizeipräsident Pürstl, der sich schon in Zusammenhang mit den NOWKR-Protesten rücktrittsreif zeigte, als er nach dem grob misslungenen Einsatz für die „Ausforschung“ verletzter DemonstrantInnen den Zugriff auf Daten der Rettungsdienste einforderte.

Wir stehen für ein weltoffenes und vielfältiges Europa, das auf Kooperation baut und in dem kein Platz für menschenverachtende Ideologien ist.

EUROPA ANDERS fordert:

  • Aufklärung und Ahndung aller verursachten Verletzungen
  • Keine Täter/Opfer-Umkehr bei Verletzten
  • Ablöse von Polizeipräsident Pürstl
  • Kennzeichnungspflicht für PolizistInnen
  • Gewaltlose Deeskalation als primärer Zweck der Exekutive bei solchen Einsätzen
  • Beobachtung und ggf. verfassungskonformes Vorgehen gegen die „Identitären“
  • Konsequentes Auftreten gegen Faschismus in jedem Gewand